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Story  »  Mo, 26/08/2019

Cyber-Grooming

Sexuelle Belästigung im Internet


Tom ist 55 Jahre alt. Im Chat-Portal gibt er sich plötzlich als 17-jähriger Benny aus und will intime Gespräche mit jungen Chatpartnerinnen führen. Achtung, das ist Cyber-Grooming.

Cyber-Grooming (zu engl. „anbahnen“ oder „vorbereiten“) ist die gezielte onlinebasierte Anbahnung des sexuellen Missbrauchs eines Kindes oder Jugendlichen, auf mehreren Ebenen. Erwachsene nutzen verschiedene soziale Netzwerke wie beispielsweise Instagram, Snapchat oder die Chatfunktionen von Online-Spielen. Sehr häufig stellen sie, mit einem Fake-Profil den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen her, bauen Vertrauen zu ihnen auf, und versetzen sie in ein Abhängigkeitsverhältnis. In den meisten Fällen sind junge Mädchen von sexueller Belästigung betroffen- aber auch Jungen sind nicht vor solchen Übergriffen sicher.

Es können drei Arten von Cyber-Grooming unterschieden werden:

1. Erwachsene Täter*innen versuchen sich den Jugendlichen in Chat-Foren oder in sozialen Netzwerken anzunähern. Meistens sind die Profilbilder oder die Spitznamen der Jugendlichen der Grund, warum sie von den Groomern kontaktiert werden. Der erste Chat beginnt mit unauffälligen Fragen, wie z.B. über das Alter, die Hobbys oder die Schule. Nach einer Weile stellt die Person Fragen über die sexuelle Erfahrung der*s Jugendlichen, versucht sie*ihn dazu zu bewegen, die Webcam einzuschalten und sich nackt zu zeigen. Oft werden die Videos gespeichert, um die*den Jugendlichen anschließend zu erpressen. Selbst wenn der/die Täter*in Vertrauen zur*m Jugendlichen aufbaut und die Besonderheit ihrer Beziehung betont, hat diese Person in der Regel mit mehreren jungen Menschen gleichzeitig Kontakt. Normalerweise nähern sich Groomer zwanzig oder mehr Jugendlichen gleichzeitig an, warten auf deren Reaktionen und chatten mit jenen, die antworten.

2. Manchmal geht der erste Kontakt nicht vom Erwachsenen, sondern von der*m Jugendlichen aus. Manche Jugendliche möchten nur neue Leute kennenlernen und sich unterhalten. Aber es gibt auch Jugendliche, deren Ziel es ist, Geld im Internet zu verdienen. Vor allem Jungen bieten online Nacktbilder, Live-Übertragungen vor ihrer Webcam oder persönliche Treffen gegen ein Entgelt an.

3. "Loverboys" nutzen oft soziale Netzwerke, um in Kontakt mit potenziellen Opfern zu kommen. Soziale Netzwerke bieten die Möglichkeit, zu vielen Mädchen gleichzeitig Kontakt aufzunehmen. "Loverboys" können so sehen, wie sich die Betroffenen präsentieren und an persönliche Informationen aus ihrem Privatleben (Hobbys, Freund*innen) gelangen. Sie bitten um Nacktbilder, weil sie doch so hübsch seien. Sobald sie ein Bild ihres Opfers haben, können sie das Mädchen erpressen und dazu auffordern, weitere Bilder oder Videos zu schicken oder es sogar in die Prostitution zwingen

Wie gehen Täter*innen vor?

Kontakt herstellen
Täter*innen sprechen Jugendliche(n) über Chats-Foren, Videoportale oder Online-Spiele an. Sie nutz(t)en häufig ein Fake-Profil und geben sich dabei als Jugendliche aus.

Identität erfahren
Täter*innen versuchen oft, das Alter und Geschlecht der Jugendlichen herauszufinden, indem sie weitere Fotos, Links zu Profilen oder Webcam-Kontakt fordern.

Vertrauen aufbauen
Täter*innen gewinnen das Vertrauen der*s Jugendlichen und manipulieren ihre/ seine Wahrnehmung, um sie/ ihn in eine Abhängigkeit zu verstricken. Sie täuschen Verständnis für das Leben der Jugendlichen und ihre Probleme vor.

Übergriffe vorbereiten
Täter*innen verlangen schließlich, die Kommunikation über private Nachrichten oder per Messenger wie WhatsApp und Skype fortzusetzen. In diesen von anderen nicht einsehbaren Bereichen, fragen sie die/den Jugendliche(n) nach deren/ dessen Aussehen und ihren/ seinen bisherigen Erfahrungen. Sie übersenden pornografisches Material und fordern dazu auf, selbst erotisches oder pornografisches Bild- oder Videomaterial zu senden oder sich vor einer Webcam zu präsentieren. Es kann auch zu einem Offline-Treffen kommen.

Wie kann Cyber-Grooming enttarnt werden?
Präventiv sollten Jugendliche über die Risiken der Online-Kommunikation aufgeklärt werden, um Belästigungssituationen aufzudecken und im Ernstfall richtig handeln zu können. Wichtig ist, den Jugendlichen dazu zu raten, misstrauisch zu werden, wenn die Online-Bekanntschaft folgende Verhaltensweisen aufweist:

• sehr viele Komplimente und dann anzügliche Kommentare macht,
• Verständnis für „alles“ hat und eine bemüht jugendliche Sprache nutzt,
• fragt, wo sein*ihr Computer steht und ob er*sie alleine davorsitzt,
• persönliche Daten, und oder Bilder verlangt,
• ein unglaubwürdiges Profil, etwa mit Bildern bekannter Persönlichkeiten hat,
• möchte, dass der*die Jugendliche seine*ihre Webcam einschaltet, und dabei erklärt, dass seine eigene kaputt sei,
• rät, niemandem vom Chat oder der Bekanntschaft zu erzählen,
• von einer Plattform zu einem Messenger wechseln oder sich heimlich treffen will.

Es gilt die/den Jugendliche(n) darin zu bestärken, den Kontakt sofort abzubrechen, wenn Fragen des/der Chat-Partners/in für sie/ ihn unangenehm werden oder sie/ er sich bedrängt fühlt. Im Falle einer sexuellen Belästigung sollten die/ der Jugendliche sofort die Eltern und/oder die Jugendarbeiter*in informieren und Screenshots zur Beweissicherung des Chats machen. Jugendliche sollten frühzeitig darüber in Kenntnis gesetzt werden, sich niemals allein mit einer Online-Bekanntschaft zu treffen, sondern immer eine Freundin oder einen Freund mitzunehmen und sich am besten an öffentlichen Plätzen mit der unbekannten Person treffen.

Was können Jugendarbeiter*innen präventiv tun?

Wichtig ist, dass Jugendarbeiter*innen mit den Jugendlichen über die Risiken des Internets und das Versenden persönlicher Daten und Fotos sprechen. Was einmal im Netz landet, kann kaum gelöscht werden.
Des Weiteren wäre es angebracht, wenn Jugendeinrichtungen ein Schutzkonzept ausarbeiten, bei dem die Gefahren, die sich aus der Nutzung digitaler Medien ergeben, in den Blick genommen werden.
Im Verhaltenskodex sollte auch der Umgang mit sozialen Medien berücksichtigt werden. Wenn die Regeln für die Nutzung sozialer Medien in der Jugendeinrichtung wirken sollen, ist eine aktive Beteiligung der Jugendlichen bei der Ausarbeitung unabdingbar.
Zu Präventionsangeboten im weiteren Sinne gehören neben sexualpädagogischen Konzepten immer auch medienpädagogische Konzepte. Mit dem Schutzkonzept verpflichtet sich die Jugendeinrichtung, Jugendliche vor Gefahren der digitalen Welt zu warnen und darüber aufzuklären, sie ausreichend auf ein selbstbestimmtes und kompetentes digitales Leben vorzubereiten, aber sie auch fit genug zu machen, um sich selbst vor sexualisierter Gewalt schützen zu können.
Es gilt immer der Grundsatz: Schuld haben nicht die Opfer, sondern die Täter*innen – sie sind es nämlich, die davon profitieren und dazu die Möglichkeiten des Internets ausnutzen. Diese Haltung sollte sich in einem modernen Schutzkonzept wiederfinden. Jugendliche sollten auch wissen, wo sie gegebenenfalls (erste) Hilfe bei digitalen Übergriffen erfahren.

Maria Reiterer

Foto von Tyler Lastovich von Pexels