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Presse  »  Do, 01/08/2019

Dialog vs. Agenda

Statement des netz | Offene Jugendarbeit zur Causa Allesclub


Die Würfel in der Causa Allesclub sind gefallen. Es ist nun etwas mehr als ein Jahr vergangen seitdem die Gemeinden Kastelruth und Völs überraschend die Konzession für die Nutzung der Jugendräume nicht verlängerten.

Im Nachhinein betrachtet war dies der Startschuss einer politischen Agenda, mit dem Ziel den Allesclub als Träger der Offenen Jugendarbeit im Schlerngebiet zu ersetzen. Interventionen der Landesregierung und des zuständigen Amtes konnten am Vorhaben der Gemeinden nichts ändern. Weder die Bürgerversammlungen noch zahlreiche Arbeitstreffen, weder die verstärkte inhaltliche Arbeit des Allesclub noch das Vereinbarungsprotokoll, das den Gemeinden zur Schlichtung der Situation vorgelegt wurde, vermochten es die Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Wie vermutlich von Anfang an geplant fand im Juni ein Auswahlverfahren zur „Vergabe in Konzession der Jugendräume der Gemeinden Völs am Schlern und Kastelruth“ statt, um den „geeignetsten und förderungswürdigsten Träger“ - so die Formulierungen der Gemeinden - zu ermitteln. Alle Bemühungen, die Herausforderungen im Dialog zu lösen, waren zum Scheitern verurteilt. Wir müssen uns eingestehen, dass wir unter diesen Umständen keine zufriedenstellende Lösung zu Gunsten unseres Mitgliedes, dem Allesclub und allgemein der Offenen Jugendarbeit erwirken konnten. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass der Dialog zwischen Träger und Gemeinden einer Ausschreibung vorzuziehen ist, deshalb unterstützen wir voll und ganz die Entscheidung des Allesclub, der sich bewusst gegen eine Teilnahme am Verfahren zur Vergabe der Konzession der Jugendräume im Schlerngebiet entschieden hat. Eine Teilnahme hätte impliziert, dass die Offene Jugendarbeit die Vorgehensweise eines Auswahlverfahrens gutheißen würde.

Die Gründe warum wir eine Ausschreibung nicht gutheißen können:

  • Bei der Offenen Jugendarbeit handelt es sich nicht um einen öffentlichen Dienst, weder des Landes noch der Gemeinden, sondern um einen eigenständigen Bereich des Erziehungs- und Bildungswesens. Offene Jugendarbeit kann folglich nicht vergeben, sondern nur gefördert werden, was die gemeinsame Aufgabe von Gemeinde und Land ist.
  • Leitbild der Jugendarbeit, Jugendförderungsprogramm, Landesgesetz zur Förderung der Jugendarbeit und OJA-Papier beschreiben ausführlich die inhaltlichen und pädagogischen Kriterien, die den Trägern der (Offenen) Jugendarbeit als Grundlage dienen. Es ist weder notwendig noch zielführend, dass die Gemeinden eigene Kriterien bestimmen.
  • Offene Jugendarbeit baut auf ein partnerschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis aller Beteiligten im Sinne der Jugendlichen. Durch das Ausschreiben der Offenen Jugendarbeit wird die Diskussionsbasis zwischen den Gemeinden und den angestammten Trägern kompromittiert. Die inhaltliche Ausrichtung der Jugendarbeit würde von einem Verfahren geregelt und nicht durch den ständigen Dialog der Interessensgruppen.
  • Durch die Einhaltung der Auswahlkriterien sind Einschnitte in die Autonomie des Trägervereins denkbar. Offene Jugendarbeit baut gerade auf diese Autonomie, sie ist nicht Jahre im Voraus planbar - ganz im Gegenteil. Offene Jugendarbeit ist ein Handlungsfeld, das sich im Sinne der Gemeinschaft an der Lebenswelt junger Menschen orientiert. Um Jugendliche professionell begleiten zu können, muss Offene Jugendarbeit flexibel, autonom und zeitgerecht auf Bedürfnisse reagieren können. Dies kann nur im Dialog mit jungen Menschen und nicht über Auswahlverfahren gewährleistet werden. Was heute aus institutionellem Blickwinkel richtig erscheint, hinkt schon morgen dem Puls der Zeit hinterher.
  • Es besteht weiters die Gefahr, dass etwaige Auswahlkriterien die mikroregionale Förderung von Ehrenamtlichkeit und die Beteiligung durch die Dorfbevölkerung an der Arbeit mit jungen Menschen kaum bzw. nur marginal berücksichtigen. Die Stärke eines Vereins liegt, wie in allen Jugendzentren und -treffs des Landes, neben den beruflichen Mitarbeiter*innen vor allem in seinen ehrenamtlichen Vorständen und zahlreichen Unterstützern, die aus der Basis einer jeden Gemeinde heraus agieren. Es sind Mütter und Väter, junge Menschen, kreative Köpfe, gestaltungsfreudige und engagierte Multiplikatoren im Dorf. Gemeinsam sind sie Motor für Innovation, Kultur und all das was eine Gemeinde lebenswert macht.
  • Offene Jugendarbeit ist erwartungsfrei und ergebnisoffen. Jugendliche brauchen Räume für Begegnungen und Erfahrungen, Räume zum Selbstwirksam SEIN und Experimentieren, Räume für Vielfältigkeit und Kreativität. In vielen Gemeinden Südtirols funktioniert die Kooperation mit den Jugendzentren und -treffs ausgesprochen gut. Es werden gemeinsam Projekte und Programme für junge Menschen erarbeitet, die das emanzipatorische und gestalterische Potenzial sowie die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Jugendlichen anerkennen.
  • Kontinuierliche Beziehungsarbeit bildet das Fundament der Offenen Jugendarbeit. Ein Auswahlverfahren steht diesem Prinzip entgegen, denn es bedingt wechselnde Träger mit wechselnden Bezugspersonen – ein Widerspruch in sich.

Diese bedauerliche Vorgehensweise ist nicht nur zum Präzedenzfall für die Jugendarbeit geworden, sondern bedroht zudem die breite Vereinstätigkeit in Südtirol. Nichtsdestotrotz steht die Entscheidung der Gemeinden in der Causa Allesclub. Wir wünschen den neuen Trägern vor Ort gutes Gelingen und den jungen Menschen ausreichend Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentfaltung. Ebenso wünschen wir uns, dass der Allesclub als Verein bestehen bleibt und sich weiterhin, wenn auch mit begrenzten Handlungs- und Gestaltungspielräumen, für die Offene Jugendarbeit und die jungen Menschen auf dem Hochplateau starkmacht. Es ist nun an der Zeit mit neuen Visionen nach vorne zu schauen. netz | Offene Jugendarbeit steht dabei seinem Mitglied unterstützend und begleitend zur Seite. Im Geiste einer nachhaltigen Entwicklung und im Sinne unseres wichtigsten Arbeitsprinzips, der Offenheit, bleiben unsere Türen für eine Zusammenarbeit mit den Gemeinden und dem neuen Träger weiterhin offen.