Im Genderfachkreis am 15.03.2022 wurden im Rahmen eines Online-Workshops aktuelle Zugänge der Jungen*arbeit mit dem Referenten Dr. Paul Scheibelhofer1 diskutiert und reflektiert.
- Welche unterschiedlichen Sichtweisen auf Jungen* liegen den unterschiedlichen Zugängen zugrunde?
- Welche Probleme stellen die unterschiedlichen Zugänge fest und wie möchten sie diese lösen bzw. welche Ziele verfolgen sie?
- Auf welchen Bedarf reagieren die verschiedenen Zugänge der Jungenarbeit eigentlich?
Ein breiter Konsens der ca. 20 Teilnehmer*innen des Workshops bestand darin, dass wir uns als Jugendarbeiter*innen persönlich, im Team und auf Einrichtungsebene stark dafür machen sollten, traditionelle Geschlechternormen in Frage zu stellen und ihnen bewusst entgegenzuwirken. Mit der besonderen Perspektive der geschlechterreflektierten Jungen*arbeit wurden Möglichkeiten aufgezeigt, wie konkrete Praxisbeispiele im Alltag analysiert und eingeordnet werden können.
Geschlechterreflektierte Jungen*arbeit unterscheidet sich elementar in ihrer Pädagogik von Zugängen, die beispielsweise Jungen* und Männer* aus unterschiedlichen Gründen heraus „in der Krise“ oder als (Bildungs)Verlierer darstellen und daher Angebote fordern, die wiederum die traditionellen Zuschreibungen von Männlichkeit und Macht bedienen. Ebenso besteht die Lösung in diesem Zusammenhang weniger darin, alle Angebote geschlechtsneutral zu konzipieren. Das Thema von Geschlechterhierarchien würde so eher dazu führen, die Thematisierung von Machtverhältnisse zu vermeiden und könne daher als eine Versuch von „Enddramatisierung“ beschrieben werden.
Aber schließlich “leben wir nicht in einer Welt, in der Geschlecht egal ist“, so Scheibelhofer, „sondern wir leben in hierarchisch strukturierten Geschlechterverhältnissen und werden nach wie vor nach traditionellem Mustern des Patriarchats sozial von diesen geprägt“.
„Wenn wir diesbezüglich im Sinne unseres Prinzips „Gender“ und „Gendersensibilität“ in der Jugendarbeit Südtirol2 agieren wollen, dann müssen wir die Jungen*, Jungsgruppen und Jugendlichen insgesamt in unserer Arbeit mit emanzipatorischen und profeministischen Zugängen begleiten, damit sie Wege finden sich von stereotypen und gesellschaftlich auferlegten Zuschreibungen und Zwängen zu befreien“, so Birgit Schwarz, ehemalige Mitarbeiterin von netz und freiberufliche Leitung der Genderfachkreise 2022.
In diesem Sinne schlug Scheibelhofer eine kritische Reflexion der Jungen*arbeit in Alltagssituationen, Angeboten und Methodenwahl vor, die bewusst analysiert welche Bilder von Männlichkeit transportiert, welche Lösungen und Ziele verfolgt werden. Laut Birgit Schwarz sei die Einbettung der Reflexion in Bezug auf die Arbeit mit Geschlechterverhältnissen von Bedeutung und sollte daher neben der persönlichen Ebene gemeinsam in den Teams und auf Einrichtungsebene diskutiert und analysiert werden. Für entsprechende Prozesse unterstützt und begleitet das netz Einrichtungen vor Ort nach Bedarf gerne mit dem Team „Vernetzung und Begleitung“.
Weitere Termine der Genderfachkreise und entsprechende Themen, sowie die Plattformtermine und andere Weiterbildungs-Tipps findet ihr auf der Internetseite von netz unter Termine und Kurse.
1Der Vortragende: Paul Scheibelhofer ist Assistenzprofessor für Kritische Geschlechterforschung am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck. Er befasst sich in Forschung und Lehre mit Kritischer Männlichkeitsforschung; Geschlecht und Sexualität; Sexualpädagogik und geschlechterreflektierende Jugendarbeit; Kritische Migrations- und Rassismusforschung
2Siehe Leitbild der Jugendarbeit, Programm zur Förderung der Jugendarbeit und das OJA-Handbuch